Pflichtteilsansprüche im Erbrecht

Im Falle einer Enterbung durch den Erblasser stellt sich in der Regel für denjenigen, der enterbt wurde, immer die Frage nach der Geltendmachung von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Für die Durchsetzung dieser Ansprüche ist die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe oftmals notwendig.

Pflichtteil

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge, die Eltern und der Ehegatte (bzw. eingetragene Lebenspartner) des Erblassers.

Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Vater (verwitwet) hat zwei Söhne. Mit dem jüngeren seiner beiden Söhne hat er sich schon seit Jahren überworfen und keinen Kontakt mehr. Aus diesem Grund hat der Vater ein Testament errichtet, in dem er den älteren seiner Söhne zu seinem Alleinerben eingesetzt hat.

Auch wenn der jüngere der beiden Söhne durch das Testament des Vaters enterbt wurde, steht ihm nach dem Tod des Vaters gemäß § 2303 Abs. 1 BGB ein sog. Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils zu. Hätte der Vater kein Testament errichtet, würde die sog. gesetzliche Erfolge gelten und beide Söhne würden jeweils zur Hälfte den Nachlass des Vaters erben. Der Pflichtteilsanspruch des enterbten Sohnes beträgt damit 25 % des Nachlasswertes.

Auskunftsanspruch

Oftmals ist dem Pflichtteilsberechtigten nicht bekannt, welchen Wert der Nachlass des Erblassers hat. Gemäß § 2314 Abs. 1 BGB hat der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch gegen den bzw. die Erben. Er kann verlangen, dass der bzw. die Erben ihm ein von einem Notar aufgenommenes Nachlassverzeichnis vorlegen, in dem alle Aktiva und Passiva zum Todestag des Erblassers aufgeführt sind. Kommt der bzw. die Erben der Forderung des Pflichtteilsberechtigten nicht nach, kann dieser eine sog. Stufenklage auf Auskunft und anschließende Zahlung erheben.

Pflichtteilsergänzungsanspruch

Häufig kommt es vor, dass der Erblasser bereits vor seinem Tod wesentliche Vermögensgegenstände verschenkt. Selbst wenn hierdurch am Todestag des Erblassers kein Nachlassvermögen mehr vorhanden ist, kann dem Pflichtteilsberechtigten dennoch ein sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB zustehen.

Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist es, eine Aushöhlung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen durch lebzeitige Schenkungen des Erblassers zu verhindern. Schenkungen, die der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod vorgenommen hat, werden auf dieser Weise zum Nachlass hinzugerechnet. Allerdings gilt hierbei gemäß § 2325 Abs. 3 S. 1 BGB das sog. Abschmelzungsprinzip, d. h. die Höhe des hinzuzurechnen Wertes ist davon abhängig, wann die Schenkung erfolgte. Nur wenn die Schenkung innerhalb eines Jahres vor dem Tod des Erblassers erfolgte, wird der Wert des verschenkten Vermögensgegenstandes zu 100 % zum Nachlass hinzugerechnet. Für jedes Jahr vorher reduziert sich der hinzuzurechnende Wert um 10 %.

Eine Besonderheit gilt bei Schenkungen des Erblassers an den Ehegatten: Gemäß § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB beginnt die 10-Jahres-Frist erst mit dem Tod eines Ehepartners oder der Scheidung der Ehe.

Eine weitere Ausnahme besteht bei der Schenkung von Grundstücken und Wohnungseigentum im Wege der sog. vorweggenommenen Erbfolge. In der Regel behält sich der bisherige Eigentümer bei der Eigentumsübertragung ein Nutzungsrecht in Form eines Nießbrauches oder eines Wohnungsrechtes vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes beginnt die 10-Jahres-Frist in einem solchen Fall erst dann zu laufen, wenn das Nutzungsrecht des ehemaligen Eigentümers nicht mehr besteht (BGH-Urteil vom 29.06.2016 - IV ZR 474/15).

Sollten Sie anwaltliche Unterstützung bei der Geltendmachung der Ihnen zustehenden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche benötigen, wenden Sie sich vertrauensvoll an uns.